Japan – Ein Reisebericht
Zazen – Wer nach Japan fliegt, muss sitzen können. Zwölf Stunden Frankfurt Tokyo nostop ist eine nicht zu unterschätzende Herausforderung.
Umgeben von polarer Nacht will man gern von tanzenden Kirschblüten träumen, sofern die Enge der Flugkonserve denn ein bischen Schlaf zulässt. Unterstützt von den unrhythmischen Flügelschlägen der Boing, lehnt der Nachbar sein ergrautes Haupt manchmal heftig, bisweihlen zärtlich, an die eigene Schulter. Ohne die rechte Demutshaltung ist solch eine Situation nur schwerlich gelassen zu überstehen.
Wer diese Übung hinter sich gelassen hat, darf mit sieben Stunden Verlust den nächsten Tag in einem polarisierenden, aber dennoch märchenvollen Land beginnen.
Schon der Anflug auf Narita Airport macht eines deutlich, Platz ist warer Luxus, jedenfalls in Japan, besonders im Großraum Tokyo.
Jeder Quadratzoll oder Ryo ist kultiviert, strukturiert und belegt. Kein Grund der nicht mehr als 15% Gefälle aufweist, ist unbebaut. Und sollte Raum von Nöten sein, wo ansonsten Hügel und Hänge das Landschaftsbild prägen, so werden eben diese abgetragen und im Meer verschüttet, das bringt neue Flächen in zweifacher Hinsicht.
Aus der Luft betrachtet, wechseln sich schachbrettartig neu bestellte Reisfelder ab, deren spiegelnde Wasseroberfläche Taioo, die Sonne, Japans Wahrzeichen, reflektieren, mit den wie Nervenzellen untereinander verknüpften Siedlungen.
Saku
Saku liegt in den japanischen Bergen nicht weit von Nagano entfernt, etwa eineinhalb Stunden Fahrt mit dem Sinkansen von Tokyo. Die Flächenausdehnung der Stadt ist vergleichbar mit der von Köln, obgleich Saku alles andere als Großstadt Ambiente ausstrahlt. Meist zweigeschössige Gebäude reihen sich entlang eines scheinbar ungeplanten Straßennetzes. Die Unübersichtlichkeit der Stadt gibt einem das Gefühl, das hier eher virulente Prozesse anstatt städteplanerische die Entwicklung vorantreiben.
Saku wäre wohl kaum eine Reise Wert, würde man sich rein touristischen Ziele wegen hierhin bewegen, aber da gibts ja noch das Aikido Saku Dojo!
Endo Seishiro Shihan kommt aus Saku, er ist hier geboren und verbrachte seine Kindheit und Jugendjahre hier bevor er 1962 nach Tokyo zog, für Aikido und Universität selbstverständlich. Er eröffnete 1994 das Saku Dojo und seither reisen zur besten Reisezeit für Japan während der Golden Week viele Aikidoka hierher.
Für fünf Tag, vier Stunden Training täglich, am Stück wohlgemerkt, mit einer kleinen Pause von fünfzehn Minuten, Übenachtung mit rund achzig Leuten im Dojo, gemeinsam Frühstück, Abendessen, Aufräumen, Biertrinken, Dogi’s waschen… – wie in einem Kloster.
Wenn man weiß was einen erwartet, gibt es nichts daran zu kritisieren. Die zeitlich begrenzte Preisgabe jeglicher Individualität fördert die Konzentration auf das Wesentliche – Ai Ki Do.
Tokyo
Diese Stadt ist wohl einer der lebendigsten Ort auf dem Planeten. Der erste Eindruck, den man von Tokyo gewinnt, wenn man in Shinjuku aus dem Narita Airport Express aussteigt, ist am besten mit den Begriffen Hecktig und Geschwindigkeit zu beschreiben. Überall wuseln geschäftige Menschen eifrig durch die Straßen, Reklamebanner von unermeßlichen Ausmassen schlagen visuell auf den Betracher ein, der Lärm und Gestank der vielen Taxen, Lastwagen, Motorollern und anderen Vehikeln überfordern schnell die restlichen Sinne.
Es gibt aber auch ruhige Stellen. Wer sich abseits der Hauptverkehrsadern bewegt, kann das dörfliche Tokyo finden, wo die Häuserreihen dicht aneinander gedrengt, nicht höher als zwei Stochwerke, in engen Straßenzügen verlaufen und hin und wieder ein kleiner Park, ein Sento (öffentl. Bad), oder ein Schrein die Enge unterbrechen.
In dieser Art Tokyo ist auch das Aikikai Honbu Dojo zu finden. Das eigentliche Ziel eines Aikidoreisenden in Japan. Die Mitglieder des Honbu Dojo sind mit Sicherheit die eifrigsten Aikidoka überhaut. Von morgens früh um 6 Uhr bis abends um 20 Uhr findet praktisch ständig irgend ein Unterricht statt.
Der interessantere Unterricht wird freilich von den Shihan für „Fortgeschrittene“ abgehalten, fünf Stunden am Tag. Hier trifft sich alles, was Rang und Namen hat. Besonders im Frühling kommen viele Europäer für zwei bis drei Wochen zum Training ins Honbu.
Tokyo Chuo Oroshiri Shijo
Der Fischmarkt von Tokyo ist der wohl berühmteste und größte der Welt. Wer hier morgens gegen 5:30 Uhr hinkommt, kann ein spektakuläres, gleichsam befremdliches, Ereignis beobachten. Nirdendwo sonst auf der Welt werden Fische in diesen Massen präsentiert, gehandelt und verarbeitet.
Die beeindruckende Vielfalt jeder Art von Meeresbewohnern lässt mit SIcherheit jeden Fischliebhaber in extaisch Verzückung geraten. Fraglich ist jedoch beim Anblick dieser Massen von Fisch, wie lange die Ausbeute der Fangflotten noch für solche Lieferungen hochgehalten werden kann. Was passiert wohl mit der japanischen Esskultur, wenn sich eines Tages Mr. Maguro und Mrs. Sake entscheiden nicht mehr gefangen werden zu wollen.
Kein Volk isst mehr Fisch und Meeresfrüchte als die Japaner. Sie konsummieren järhlich über 12 Miollionen Tonnen Fisch, einschließlich 300.000 Tommen Krabben und Hummer etc., die überwiegend aus Südostasien nach Japan kommen. Pro kopf sind das 72 kg pro Jahr, im Vergleich dazu verbrauchen Deutsche im Durchschnitt 12 kg Fisch.
Eine besondere Stellung nimmt bei den Japanern der Blauflossen-Thunfisch ein: Vom weltweiten Fang verzehren sie allein 90 % (262.000 Tonnen jährlich).
Ittadakimasu!
Lost in Translation
Wer in Shinjuku im Park Hyatt absteigt, findet sich inmitten des Filmsets von Sophia Coppolas Film „Lost in Translation“ wieder. Hier spielte Bill Murray sehr überzeugend den hoffnungslos verlorenen Gaijin, der erheblichen Schlafmangel erleidet und unbeholfen durch und in japanische Gesellschaft tappt.
Der orginal Drehort ist nur nach Entrichtung eines unnötigen Eintrittsgeldes zu besichtigen. Im mittleren der drei Wolkenkratzer des Shinshuku Goverment Building befindet sich unter einem Glaspyramidendach hingegen eine Bar, die jeder Besucher umsonst betreten darf. Von hier aus hat man einen atemberaubenden Ausblick auf Shinjuku bzw., bei gutem Wetter, ganz Tokio. Die Preise für ein Bier oder Coktail sind wiedererwartend moderat und wer am Abend hier einkehrt, darf sich neben dem Ausblick auf das Lichtermeer von Shinjuku auch noch an qualitativ hochwertigem Jazz erfreuen
Kampai!